7
Apr
2012

Allein in Mainhattan

Ich arbeitete auf dem Bau. Ich kam aus Bremen nach Frankfurt um zu studieren, bekam kein Bafög und hatte kaum was gespart um lange davon zu verzehren.

Ich hatte nicht viel drauf. Ich hatte ja nur die Abitur in der Tasche. Taxischein hatte ich nicht und für was anderes war ich nicht zu gebrauchen ausser für Fussball, Basketball oder Football. Darin war ich wiederum nicht gut genug um damit grossmässig geld verdienen zu können.

Frankfurt beeindruckte mich nicht, ich weiss bis heute nicht warum ich dorthin kam in so jungen Jahren. Bremen war beschaulich, überschaubar, etwas unterkühlt aber das war ich mittlerweile auch. Ich liebte den Hafen, das kühle, graue Nordmeer.

Ich kam mit 5000 Mark in die Stadt und das war nichts für jemand der erstmal fuss fassen musste. Es kam nichts dazu aber jeden Tag ging was von ab und das Studentenzimmer musste ja auch bezahlt werden. Das Zimmer war nicht gross und auch nicht sehr Teuer aber immerhin kostete es mich 250 Mark im Monat.

Ich dachte ich muss unbedingt schnell was finden also ging ich mit den Erwartungen, die ohnehin nie hoch waren, noch mal ein Stück runter. Ich ging zu einem privaten Arbeitsvermittlungsbüro und teilte mit dass ich einen gekonnten und sehr fähigen Bauarbeiter abgeben würde, wenn sie mir denn die Möglichkeit geben würden mich zu beweisen. Ich stellte schnell fest dass mittlerweile fast keinen Job auf dieser Welt gab, -sei es Kloputzer- der selbstverständlich und sicher zu haben war. Auch als Kloputzer musstest du wahrscheinlich erstmal 5 Absagen über dich ergehen lassen bevor dir der Traumjob angeboten wurde.

Ich bekam keine Absage, mir wurde nur gesagt dass ich doch dafür überqualifiziert wäre. Als der Sachbearbeiter mitbekam dass ich eine gute Abiturdurchschnitt hatte, fragte er mich was ich denn für ein Gehaltvorstellung hätte. Ich pokerte hoch und überschätzte mich:

“Ist mir egal was sie mir geben wollen solange ich mit 1000 Mark Netto am Ende dastehe”

“Hmm..Also 1000 Mark?”

“Richtig”

“Ok, wir melden uns bei Ihnen, sie haben ja die Telefonnummer dagelassen.”

“Richtig”

Ich kam raus aus dem Sklavenvermittlungsbüro und hatte eigentlich keine Hoffnung mehr als ich dann eine Woche später einen Anruf bekam und sie mir den Job gaben. Ich muss wohl eindruck gemacht haben.

Als Erstsemestler kam ich garnicht zu studieren. Ich hab nur gearbeitet und zwar teilweise 10-12 Stunden auf dem Bau. Am Anfang waren sie vorsichtig und hielten sich an die 20 Stunden pro Woche für Studenten. Mir reichte es aber nicht. Ich sah die Gestallten an und wusste dass 80% der Belegschaft auf dem Bau ohnehin Schwarzarbeiter waren. Polen, Jugoslawen, Rumänen, Russen, Türken... Ich ging zu dem Oberbauer und sagte:

“Ich kann länger Arbeiten wenn sie denn interessiert wären”

“Du bist doch Student”

“Egal, ich muss arbeiten und im Moment brauche ich die Kohle, das Studium muss ein bischen zurückstecken”

“Nein nein, sowas machen wir nicht!”

Am nächsten Tag kam der selbe Idiot auf mich zu und sagte dass sie bereit wären mich Vollzeit arbeiten zu lassen nur die Differenz zu den 20 Wochenstunden würde dann Bar auf die Hand ausgezahlt werden.

“Passt doch”

“Also morgen Früh um 6 am Bahnhof, es geht richtung Hattersheim”

“Geht Klar”
...

Es ging klar, von einer Baustelle zur anderen, von einem schlechtbezahlten Job in den anderen, bis ich auch in dieser verdammten Stadt fussgefasst hatte.

Ennio Morricone - Chi Mai

Was genau will Grass?

Ich frag mich das wirklich. In meinem Leben kam ich oft in Schwierigkeiten weil ich nie nach der Situation geschaut habe in der Ich meine Meinung und oft auch die Wahrheit gesagt habe. Das Ergebnis war dass ich oft wegen dieser unüberlegten Wahrheitsbekundungen, ein ums andere Mal in schwierigen Situationen geriet und benachteiligt wurde. Nun, ich kann und muss damit mehr oder weniger leben weil ich nicht anders kann und mit mir im reinen bin. Ich lebe besser damit die entstandenen Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen als ganz den Mund zu halten und nicht mehr in den Spiegel schauen zu können.

Was genau aber will Grass? Will er auch nur die Wahrheit sagen? Oder ist er wirklich immer noch das, was er freiwillig wurde nämlich ein SS-Mann unter den Nazis? Andererseits ist es so dass selbst wenn er die Wahrheit sagen wollte, grade er mit seiner Vorgeschichte, er sich zumindest aus dieser Geschichte heraushalten sollte. Bei aller liebe zur Wahrheit, es kommt sehr oft auch drauf an wer diese Wahrheiten ausspricht. Wenn er sich wirklich nur aus humanistischen Gründen für die -ohne Frage- benachteiligten und diskriminierten Palästinenser einsetzen wollte, dann frage ich mich was sich so ein Mann dabei gedacht hat als er in die SS eingetreten ist? Damit habe ich wirklich ein Problem. Ein normaler 08-15 Soldat unter den Nazis kann ich verzeihen, oft wurden sie einfach eingezogen, Kinder und jugendliche wurden gewaltsam an die Front geschickt...aber keiner wurde gewaltsam in die SS aufgenommen. Das geschah freiwillig und sehr sehr oft aus purer Überzeugung.

Nun wenn ich ein Jude wäre, hätte ich grösste Probleme die bittere Wahrheit grade aus dem Mund eines solchen Mannes zu hören.

Auf der anderen Seite gibt es aber schmierige Leute wie dieser Friedmann der nur darauf wartetn um zu übertreiben und gleich das aufkommen des dritten Reiches an die Wand zu malen.

Um nochmal auf Wahrheit und die Realität zurückzukommen: Ein radikal orthodoxer Jude der nach altem Testament lebt und an Theodor Herzls Lehre glaubt, ist um keinen Deut besser als der radikale Moslem. Sie sind im geiste absolut verwandt. Nur die Gegebenheiten des Zeitalters sorgen seit geraumer Zeit dafür dass sich diese Leute als Feinde betrachten. In ihrer Konservatismus, in ihrem Hass auf alles Moderne und andersgläubige, ihrer Wunsch nach Unterdrückung des weiblichen Geschlechts, in ihrem Rassismus... gehen beide seiten miteinander Konform. Mal unterdrückt die eine seite die andere, mal wendet sich das Blatt und die Unterdrücker werden zu Unterdrückten. Das ist die traurige Geschichte der Kulturen und Religionen die aus dieser Gegend stammen und wenn ich Günther Grass hiesse, hätte ich mich -zumindest- aus dieser Geschichte herausgehalten.

Sonny Boy Williamson - Keep It To Yourself :)

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