27
Mrz
2012

Das himmliche Geschwür

Meine Freundin hatte Krebs. Sie war sehr Jung als sie es bei ihr diagnostizierten. Sie überlebte aber musste bis ans ende ihrer Tage täglich ein Cocktail von Tabletten schlucken. Die Frau war rassig, hübsch, sehr zielstrebig im Berufsleben aber sehr bodenständig und romantisch wenn man sie näher kennenlernte.

Wir verbrachten etliche Nächte miteinander an meinem alten blauen Holztisch, mit der spartanischen Lampe darüber die von der Decke herunterhing. Der Tisch in der kleinen küche einer 35qm Wohnung die ich bewohnte während ich studierte. Irgendwo in der Ecke standen teilweise 35 leere Rotweinflaschen. Sie wollte dass die leeren Flaschen nicht weggeschmissen werden. Sie fand den Anblick romantisch. Sie bat mich um kleine Gefälligkeiten, die teilweise sehr eigenwillig aber recht süss waren. Die Sammlung dieser Leeren Weinflaschen als zeichen und Erinnerungsmahnmal für all die Nächte die wir uns um die Ohren hauten, gehörten auch zu den eigenwilligen Bitten.


In der Küche, auf dem kleinen billigen Holztisch, liebten wir uns, lachten, schrien uns an und stritten und tranken rotwein wie die besessenen bis ich eines abends mitten in einer Streit davon erfuhr dass sie als Kind schonmal Krebs hatte.

Mitten im spass, streit und schreierei, wurde ich plötzlich still, sie sprach weiter aber ich war schon längst in einem Tunnel, alles andere wurde gedämpft...ich goss mir noch ein Gläschen wein und kippte es runter als wärs wasser. Sie wollte weiter streiten, ich nicht, ich trank mein glass aus, und goss nochmal für beide ein.. sie schlug mich und ich trank sowohl mein Glas als auch ihr Glas aus… Sie umarmte mich plötzlich während ich die Gläser wieder vollmachte.

Ich wollte meine Betroffenheit nicht zur Schau stellen, ich wollte nicht Mitleid zeigen, aber ganz Kalt darf dich die Sache auch nicht lassen. Ich hatte Mitleid, ich schaute in ihren grünen Augen die durch die Tränen sehr glassig worden waren und war wirlich betroffen. Wir tranken weiter und redeten über Gott und Religion.

Meine Gedanken waren beim Gott. Wieso musste ein 15 jähriges Kind plötzlich um ihr Leben kämpfen. Wo war dieser Gott? Wenn etwas gutes im Leben der Menschen passiert danken sie dafür Gott, aber wo war die Wut auf dem selben Gott wenn er solch einen Mist baute? Wieso machten sich Menschen zum Sklaven der eigenen Fantasie, Angst und letztenendes der eigenen Kreaturen?

Diese Frau hatte an Gott und Religion geglaubt, hatte es wieder verloren und mit 26 Jahren hatte sie eine Phase in der sie nicht wusste woran sie so recht zu glauben hatte.

Was für ein Schwindel...


Ich habe noch nie einen religiösen Menschen gesehen der mehr Angst vor der Hölle hatte als vor dem Krebs.

Bliss - Quiet Letters

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